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Dieses Thema hat 5 Antworten
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Simon Nomis Offline

 Poet und Tausendsassa


Beiträge: 3.020

11.02.2008 21:33
Für meinen lieben Freund Sir Rawne Zitat · Antworten
Diese Geschichte wurde an einem gemütlichen Abend vor dem Kamin in der Nebelburg von mir erzählt.

Das Licht der Abendsonne spiegelt sich feurig rot auf dem beschlagenen Metal der Rüstung wieder. Mit hochgeklapptem Visier steht der Ritter auf einer kleinen Anhöhe und schaut in die Ferne. Reglos verharrt er starrend während das laue Lüftchen ihn mit seinem eigenen weißen Umhang umspielt. Müde schauen die Augen auf den Horizont und die Silhouette, die sich dort abzeichnet. Langsam hebt er die gepanzerte Hand um die blendenden Strahlend er Sonne abzuwehren. Der schwarze Punkt am Horizont, der nicht größer als der Kopf einer Stecknadel ist, bewegt sich träge auf ihn zu. Es scheint ihm eine Ewigkeit vergangen zu sein, bis der Punkt endlich zu einer menschlichen Silhouette wird. Langsam lässt er seine Hand wieder sinken und wendet sich ab. Er steigt den Hügel herab, der Sonne entgegen, die inzwischen schon die Erde erreicht hat und wie ein riesiges rotes Tor im Westen steht.
Am Fuße des Hügels steht ein kleines Zelt aus altem, gelbem Tuch, darauf geht der Ritter zu. Er hält kurz inne, bevor er die Zeltplane zurückschlägt und in das Zwielicht des kleinen Zeltes eintaucht.
Drinnen sitzt eine junge Frau auf einer Truhe. Sie sieht in ihrem blauen, langen Samtkleid wunderschön aus. Ihr langes, braunes Haar ist zu einem Kranz um ihren Kopf geflochten und entblößen so den zierlichen Hals, um welchen ein feines, goldenes Medaillon hängt. Ein Reiseumhang aus rauem, dunkelblauem Stoff wird auf ihrer Brust von einer Spange in Form einer Schlage gehalten. Sie schaut erschreckt und traurig auf, als der Ritter mit einem kühlen Lufthauch eintritt.
"Er kommt!" Mehr sagt er nicht. Und doch hätte er sie nicht schlimmer treffen können. Er kommt! 'Warum?', fragt sie sich. 'Warum muss er kommen?' Sie schaut dem Ritter in die müden Augen. Er steht einfach nur still da und sieht sie stumm an; weder vorwurfsvoll, noch traurig; weder zornig noch wütend. Er ist einfach zu müde. Nach einer kleinen Ewigkeit senkt er den Blick und tritt zur Seite. Sie sieht ihn immer noch an, jedoch ohne einer Regung fähig zu sein. Sie könnte aufstehen und aus dem Zelt laufen. In seiner schweren Rüstung und mit seinen Verletzungen würde er sie unmöglich einholen können. Sie könnte dem Schatten am Horizont entgegen laufen. Aber sie tut es nicht. sie kann und wille sich kein Stück bewegen. Was sollte sie dort draußen? Nichts hält sie dort draußen, aber genau so viel hält sie auch im Zelt. Was würde passieren wenn sie hinaus ginge? Würde es etwas ändern? Sie würde wohl zurückkehren zu ihrem Gemahlen dem Tyrannen Zachatrus, der weit fort von hier in den Sturm umtosten Bergen am Meer wohnte.
Er hat sich inzwischen sein Schwert umgeschnallt und hebt nun sein Wappenschild an. Er tritt auf den Ausgang zu und versperrt ihr wieder den Weg nach draußen. Mit dem Schild schiebt er die Plane am Eingang zur Seite und macht einen Schritt hinaus. Über die Schulter sieht er zurück in das Zwielicht im Zelt und in ihre braunen Augen. Er zieht seinen Schildarm zu sich heran und die Plane schiebt sich zwischen sie und seine Augen. Schwach wendet er sich um und steigt erneut den Hügel hinauf. Dort bleibt er stehen, einer Statur gleich, und sieht wieder zum Horizont. Der kleine Punkt ist inzwischen größer geworden. Ein Reiter ist nun zu erkennen, der langsam auf einem Rappen angeritten kommt.
Der Reiter sieht seit Stunden zum ersten Mal auf und zügelt sein Pferd. Zu sehr war er in die Spur vertieft gewesen, der er gefolgt war. Seit drei Tagen war er ihr gefolgt. Sollte er heute das Ende der Spur erreicht haben? Nun sieht er den flammenden Ritter wie einen Fels auf dem Hügel stehen. Erfurcht ergreift den Reiter auf seinem Rappen, der unruhig zu tänzeln beginnt. Zögernd gibt der Reiter dem Rappen die Zügel zu spüren und kommt langsam dem Hügel näher. Es erscheint ihm so, als würde der Ritter auf dem Hügel mit jedem Meter in die Höhe wachsen. Am Fuß des Hügels steigt er vom Pferd. Seine leichte Rüstung scheppert leise als er auf dem Boden aufkommt. Zögernd erklimmt er den Hügel. Der Ritter zieht langsam klirrend sein Schwert. Sein Schwertarm gleitet elegant müde in eine günstige Angriffsposition. Je näher der Andere ihm kommt, umso schneller schlägt sein Herz. Der Reiter scheint unbewaffnet zu sein und er bleibt zwei Schwertlängen vor ihm stehen. Langsam hebt er beide Hände zum Kopf, auf dem er einen ledernen Helm trägt, dessen Maske sein Gesicht verdeckt. Mit präziser Langsamkeit senkt er den Kopf und zieht den Helm ab. Der Herzschlag des Ritters beschleunigt sich mit jedem Zentimeter, den der Kopf sich wieder hebt. Eine Ewigkeit scheint zu verstreichen ehe er einen Blick auf das Gesicht seines Gegenübers werfen kann. Der Reiter hält den Blick gesenkt und hebt ihn ebenso zögerlich wie seinen Kopf. Schließlich sieht er dem Ritter mitten ins Visier. Der Ritter sieht die grünen Augen des Fremden, in welchen ein Feuer brennt. Er weiß nicht, wo er diese Augen zuletzt gesehen hatte.
Die Sonne ist inzwischen schon zur Hälfte hinter dem Horizont versunken. Feurig spielt sie auf dem Gesicht des Reiters und in dessen Augen. Und plötzlich weiß der Ritter, wo er diese Augen zu letzt gesehen hatte. Er stößt gepresst den Atem durch das Visier. Langsam lässt er den Schwertarm sinken, nur um ihn dann langsam wieder zu heben und ebenfalls langsam den Helm vom Kopf zu nehmen. Scheppernd fällt der Helm ins Gras. Die Augen des Reiters loderen auf. Auch er hat seinen Gegner wieder erkannt. So lange war es her. Eine Ewigkeit und eine lange Suche sind vergangen. Er war quer durch die Lande gezogen und hatte ihn nie finden können. Und dann hatte er von der schöne Frau König Zachatrus gehört, die entführt worden war. In der Hochzeitsnacht. Unter den Augen der Wachen.
"Harald" Lange hängt dieser Name in der Luft. Ein Windhauch trägt ihn schließlich fort. "Christian von Düben", kommt die Antwort. "So sehen wir uns also wieder." Der Reiter nickt langsam und stumm.
Sie sehen sich lange schweigend an, ohne einander richtig zu sehen. Jeder hängt der gemeinsamen Geschichte nach.
Sie waren einmal Kampfgefährten gewesen, damals im großen Krieg gegen die Armee von Salmo, der ihre Heimat hatte überrollen wollen. Seite an Seite hatten sie gekämpft. Harald hatte Christians Wunden gepflegt. Christian hatte des Nachts über den Haralds Schlaf gewacht. Sie waren in ihrer Heimat als ein unzertrennliches Kämpfergespann bekannt. Der starke Harald und der flinke Christian, so wurden sie genannt. Doch dann hatte eines Tages das Schicksal sich einen Streich mit den beiden Freunden erlaubt.
Die schöne Dame im Zelt hatte den langsamen Hufschlag des Heranreitenden gehört. Sie hörte, wie er abstieg. Dann war es lange Zeit still gewesen. Sie hört, wie sich die beiden Männer ansprechen und stutzt. Der Fremde konnte kein Häscher ihres Mannes sein, sonst hätte ihn der Ritter niemals angesprochen. Sie hatte das klirren und kreischen von Waffen erwartet. Sie hörte aber nur das leise Säuseln des Windes und das müde Klatschen des Wimpels auf dem Zelt. Beunruhigt erhebt sie sich von der Truhe und schreitet langsam auf den Eingang des Zeltes zu. Ihre bleiche Hand berührt die kühle Zeltplane. Langsam und zaghaft schiebt sie die Plane zur Seite. Feuriges Sonnenlicht strahlt ihr ins Gesicht und zwingt sie zu blinzeln. Dann hört sie das Schaben eines Schwertes.
Langsam zieht Christian seine Waffe aus der Scheide. Mit gezogenen Schwertern stehen sich die ehemaligen Freunde nun gegenüber. Feurig tanzt der letzte Rest der Abendsonne auf ihren Gesichtern. Widerwillig hebt Harald sein Schwert in die Höhe. Er ist kampfbereit. Mühsam bewegt er sein linkes Bein zur Seite und festigt so seinen Stand.
Die Lady steht am Fuße des Hügels und schaut hinauf. Ihr Blick gleitet über die Figur ihres Entführers und springt von dessen Schwert hinüber zu seinem Gegner. Langsam wandert ihr Blick hinauf zu seinem Gesicht. Es dauert einen Moment, bis sie das feurige Gesicht erkennen kann. Ihre Hand fährt zum Mund und verdeckt ihn. Ihre Augen weiten sich.
"So können wir nun endlich die Schwerter kreuzen."
Christians Stimme ist fest und ruhig. Sein Blick durchbohrt seinen Gegner nicht. Überhaupt zeigt er kein Zeichen von Zorn.
Harald schaut müde in die glänzenden Augen seines ehemaligen Kampfgefährten. Wie freundlich hatten diese Augen schauen können. Nun waren sie wie tot. Er seufzt tief und kreuzt das Schwert mit seinem Gegner. Aus den Augenwinkeln nimmt er die Frauengestalt am Fuße des Hügels wahr. Auch Christian scheint etwas bemerkt zu haben, zeigt aber keine Reaktion.
Würdevoll verneigt er sich vor seinem Gegner. Er wartet nicht, bis sein Gegenüber diese Geste erwider sonder geht direkt zum Angriff über. Harald kann den ersten Schlag nur mit Mühe abwehren. Sein Schwert wirbelt herum und klirrend treffen sich die Klingen ein weiteres Mal. Behände tänzelt Christian vor seinem Gegner herum und deckt ihn mit vielen, kleinen Schlägen ein. Für ihn ist das kein Problem da er vollkommen ausgeruht ist, was auf seinen Gegner nicht zutrifft. Schon nach wenigen Minuten fängt Harald an nach Luft zu ringen.
Die Sonne ist nur noch ein kleiner Fleck auf dem Horizont. Funken sprühen. Schweißtropfen fliegen umher.
Immer wieder durchbricht Christian die Deckung seines Freundes und fügt ihm viele kleine Wunden zu. Harald versucht immer wieder selbst einmal einen Angriff zu platzieren, aber stets ist sein Gegner schneller.
Finte um Finte, Schlag um Schlag wehrt der behände Reiter ab. Harald schafft es mit einer Finte die Deckung von Christian zu durchbrechen und trifft ihn an dessen Schildarm.
Gebannt und starr vor Schrecken steht die Lady da und schaut dem schrecklichen Kampf zu; Stumm und bewegungsunfähig. Für sie bricht eine Welt zusammen. Sie fragt sich, ob es die Götter so wollen können. So grausam kann noch nicht einmal ein Gott sein.
Der Ritter hat inzwischen schon große Probleme sich noch auf den Beinen zu halten. Seine Moral ist gebrochen und sein Körper ein einziger Schmerz. Er ist müde. Sehr müde. Nur noch langsam und äußerst mühevoll kann er seine Deckung aufrechterhalten. Schläge prasseln auf ihn ein, wie ein Gewitterregen auf ein trockenes Feld. Sein Schildarm wird von diesem andauernden Ansturm immer schwächer. Sein Gegner hat schon keinerlei Schwierigkeiten mehr, seinen müden Verzweiflungsschlägen auszuweichen. Krachend fährt Christians Schwert zweimal, dreimal, viermal auf das Schild der Ritters nieder und mit jedem Schlag, sinkt dieser etwas mehr in die Knie. Schließlich kniet er vor ihm und wehrt sich kaum noch. Ein schlecht abgewehrter Stoß rutscht über die Schildkante und zwischen den Platten der schweren Rüstung hindurch. Eine brennende Welle schlägt ihm aus seiner Schulter entgegen. Halb benommen vor Schmerzen versucht er mit einem Aufwärtsschlag seinen Gegner zu treffen doch dieser weicht dem Schlag geschickt aus. Mit einer Drehung zieht er das Schwert aus dem Fleisch. Blut spritzt unter der Rüstung hervor.
Die Lady am Fuße des Hügels fällt mit einem stummen Schrei des Entsetzens auf die Knie. Tränen rinnen ihr aus den Augenwinkeln.
Die Sonne geht hinter dem Horizont unter. Nur ein paar spärliche, schwache Sonnenstrahlen eilen noch über den Himmel.
Christian setzt zu einem neuen Angriff an und dieses Mal hat ihm sein Gegner nichts zu erwidern. Das Schwert gleitet geschmeidig durch eine Lücke in der Rüstung in den Bauchraum des Ritters, dessen abwehrende Bewegung mit dem Schild, die Wunde nur noch vergrößert. Gepeinigt stöhnt er auf, als das Schwert wieder seinen Leib verlässt. Die nächste Attacke trifft den Schwertarm. Es hinterlässt eine tiefe, stark blutende Wunde.
Die Lady fällt in Ohnmacht, ob der Grausamkeit auf dem Hügel.
Die letzten Sonnenstrahlen verblassen langsam am Himmel.
Der behände Reiter holt zu einem letzten Stoß aus. Das Schild und das Schwert des Ritters berühren bereits den Boden. Seine Augen schauen schon hinauf zum Himmel und den Göttern. Langsam beginnt sein Blick zu brechen. Metallisch trifft das Schwert auf die Rüstung auf und rutscht ab. Im Boden bleibt es stecken. Mit Schwung fliegt der Reiter gegen seinen Gegner und beide stürzen zu Boden. Der Ritter liegt röchelnd auf dem Rücken, seinen Gegner über sich. Ihre Blicke treffen sich. Harald hebt mühsam und unter Schmerzen den Schwertarm in die Höhe. Schwer sinkt er nieder, die Klinge voran. Schmatzend fährt sie in das rohe Fleisch eines Menschen.
Langsam schwindet das letzte Licht des Tages. Kein Hauch regt sich über dem Hügel. Kein Geräusch ist zu hören. Es herrscht ein atemlose Stille. Schlaff hängt das grüne Banner mit dem gelben Blatt von der Spitze des Zeltes herab.
Leder ächzt, als Christian sich von seinem toten Freund rollt. „Er hat mir seinen Tod genommen!“ Einige Minuten sitzt er neben dem Toten und betrachtet ihn. Eine Träne entspringt seinem Auge und wandert auffällig langsam die Wange herunter. Mit einer sanften Handbewegung wischt er sie fort. Dann richtet er sich mühsam auf. Er befreit den Toten von seinem Schwert, das ihm an der Stelle durch die Brust gefahren ist, an der er ihn durchbohrt hätte. Schwer schreitet er den Hügel hinunter, den toten Freund stützend. An dessen Pferd macht er halt. Mit viel Mühe und Anstrengung hievt er den Toten auf das Pferd. Der Schimmel trippelt unruhig umher ob des großen Gewichtes. Mit Hilfe des Schwertes und einigen Schnüren richtet er den toten Körper auf. Es soll so aussehen, als wurde ein stolzer Ritter aufrecht auf dem Schimmel einher reitet. Beruhigend fährt er dem schönen Tier über die Nüstern und betrachtet seinen stolzen Freund. Er dreht sich zu der Lady am Boden um.
Langsam öffnet sie die Augen und sieht ihn traurig lächelnd an. Er ignoriert die stille Frage dieser schönen Augen. Er hilft ihr auf die Beine und führt sie in das Zelt.
"Meine Liebste. Was braucht ihr aus diesem Zelt?"
Sie schaut ihn lange an. "Euch, mein geliebter Christian. Alles andere ist nun nicht mehr von Bedeutung für mich."
Erschöpft lächelt er sie an und führt sie aus dem Zelt.
"So lasst uns sofort aufbrechen. Die Häscher eures Mannes sind nur noch einen Tag entfernt."
Sie lässt sich von ihm auf ihr Pferd helfen. Dann besteigt er sein eigenes Pferd und ergreift die Zügel des Schimmels.
Drei Reiter reiten auf ihren Pferden der Nacht entgegen. Kein Laut ist zu hören.

Ende


"Das Schauervollste aller Übel, der Tod, geht uns nichts an; denn solange wir sind, ist der Tod nicht da, sobald aber der Tod herantritt, sind wir nicht mehr..."

Ich möchte auf die Bibliothek hinweisen und um Stimmen bitten.

Gast
Beiträge:

23.02.2008 22:04
#2 RE: Für meinen lieben Freund Sir Rawne Zitat · Antworten

wow du hast ja wirklich viel für diesen heißblütigen typen geschrieben ich hätte ihm bestimmt nicht mal ein wort gewidmet ist es ja auch nicht wert

Jeanne d Arc Offline

  Die Beraterin


Beiträge: 1.555

23.02.2008 22:09
#3 RE: Für meinen lieben Freund Sir Rawne Zitat · Antworten

Man sieht unser Poet war wieder fleißig. Super Simon. Die Geschichte gefällt mir.

Gast
Beiträge:

23.02.2008 22:09
#4 RE: Für meinen lieben Freund Sir Rawne Zitat · Antworten

echt? mir nicht
da es irgendwie um rawne geht

Simon Nomis Offline

 Poet und Tausendsassa


Beiträge: 3.020

24.02.2008 09:59
#5 RE: Für meinen lieben Freund Sir Rawne Zitat · Antworten

OH MANN!

Mein unbekannter Freund, wer sagt dir, dass diese Geschichte von Rawne oder über Rawne handelt??? Weil über dem Post "Für meinen lieben Freund Sir Rawne" steht? Sagt dir das Wörtchen "Ironie" etwas?
Nur so mal nebenbei eine kleine Information:
Diese Geschichte ist schon älter und ich habe sie nicht über Rawne geschrieben. Und wenn du des Lesens mächtig bist, werter unbekannter Gast, sollte dir auch der erste Satz nicht entgangen sein!
"Diese Geschichte wurde an einem gemütlichen Abend vor dem Kamin in der Nebelburg von mir erzählt."

Noch Fragen?




"Das Schauervollste aller Übel, der Tod, geht uns nichts an; denn solange wir sind, ist der Tod nicht da, sobald aber der Tod herantritt, sind wir nicht mehr..."

Simon Nomis Offline

 Poet und Tausendsassa


Beiträge: 3.020

28.02.2008 13:41
#6 RE: Für meinen lieben Freund Sir Rawne Zitat · Antworten

Werter Sir Rawne, ich habe noch eine Geschichte für Euch gefunden. Ihr brachtet mich druch Euren "lieben Freund" auf diese.

Still und friedlich liegt das kleine Dorf in mitten eines tiefen Waldes. Geschäftiges Treiben erfüllt die schlammigen Pfade und Wege des Ortes. Es ist Erntezeit und die Früchte der harten Arbeit des Jahres wollen nun ins Trockene gebracht werden. Kinder toben spielend und lachend um das Dorf herum. Die warme Spätsommerluft ist erfüllt von ernster Betriebsamkeit und ausgelassener Heiterkeit.
Am Waldrand taucht die dunkle Gestalt eines Wanderers auf. Ein Fremder! Seit Jahrzehnten hat sich schon kein Fremder mehr in diesen abgelegenen Teil der Welt verirrt. Zunächst bemerkt niemand den Wanderer, der sich auf dem schmalen Pfad dem Dorf nähert. Als er die ersten Felder passiert, wird eine Gruppe spielender Kinder auf ihn aufmerksam und sie flüchten stumm zu ihren Eltern.
Immer tiefer dringt der Fremde in die Lichtung ein, ohne auch nur zu grüßen oder gar den Blick zu heben. Neugierig, missfallende Blicke folgen ihm, heften sich wie eine hungrige Meute an seine Fersen.
Als er endlich den Dorfplatz mit dem kleinen Brunnen erreicht, ruht im gesamten Ort die Arbeit und alle staunen voller Angst den Fremden an. Gemurmel und Geflüster breitet sich wie ein dichter Teppich über dem Dorf aus, als der Unbekannte am Brunnen Wasser schöpft.
Was will dieser Kerl hier?
In sich gekehrt und alles um sich herum vergessend steht er dort am Brunnen und löscht seinen Durst. Das Gemurmel wird lauter, so wie ein Bienenstock, der verärgert ist und sich zum Kampf rüstet.
Ohne ein Wort zu sagen, wendet sich der Mann in dem langen dunklen Umhang vom Brunnen ab und schreitet wieder auf den Wald zu. Sein braunes Haar ist ungepflegt und voller Laub und Ästen. Die Augen starren blicklos zu Boden. Die Schuhe sind schlammverschmiert. Sein ganzer Körper scheint das Elend selbst zu verkörpern.
Wagemutig stellt sich ihm einer der Dorfbewohner in den Weg. Er ist groß und kräftig, Tischler von Beruf.
"Wer bist du, dass du ungefragt von unserem Wasser trinkst?"
Die Gestalt hält im Gang inne. Langsam, fast schon zögernd hebt sie den Kopf. Graue Augen schauen den Tischler müde und traurig an. Es vergeht eine atemlose Ewigkeit in absoluter Stille, allein die Geräusche des Waldes verstummen nicht angesichts dieses Blickes.
"Wer ich bin", erklingt schließlich eine kränkliche Stimme, "wollt ihr wissen? Ich bin niemand."
Erstauntes Murmeln durchstreift erbost den engen Kreis der Dorfbewohner.
"Ich besitze keinen Namen.", setzt der Fremde sogleich schleppend fort. "Ich habe keine Heimat. Ich habe keine Vergangenheit. Ich habe keine Zukunft."
Das Raunen um ihn her schwillt bedrohlich an ohne das es ihn zu kümmern scheint.
"Wie kannst du so etwas schwachsinniges behaupten", fragt ihn der Tischler. "Jeder hat einen Namen, eine Heimat, eine Vergangenheit und eine Zukunft. Es gibt niemanden, der so etwas nicht besitzt!"
Der Fremde lächelte ihn müde und viel sagend an, gerade so, als wollte er sagen, seht Ihr. Verwirrung machte sich unter den Dorfbewohnern breit. Es musste sich bei dem Fremden um einen Verrückten handeln, darin war man sich sehr schnell einig. Und für Verrückte hatte man in diesem Ort nichts übrig. Aufgebrachte Stimmen wurden laut, die von Vertreibung, Totschlag und Kerkerhaft riefen.
Der Tischler hob beschwichtigend die Arme und die Menge beruhigte sich. "Wie soll ich das verstehen", fragte er.
"Was? Das deine Leute mich tot oder vertrieben sehen wollen? Da musst du sie schon selber fragen." Ein schwaches, verschmitztes Lächeln huschte für einen kurzen Augenblick über sein Gesicht, bevor es wieder zu einer grauen Maske gefror.
Verdutzt schaute er den Fremden an.
"Ich wollte wissen, wie du das meinst, dass du Niemand bist."
"Das sagte ich doch bereits. Ich habe keinen Namen. Ich habe..."
"Ja ja, das habe ich verstanden", unterbrach ihn der Tischler. "Hast du wenigstens Besitzt, dass du uns unser Wasser bezahlen kannst?"
"Ich besitzt nur das was ich am Körper trage", kam die demütige Antwort. "Und meinen Verstand."
"Schlag den ungehobelten Kerl zusammen, Gundlaf", tönte eine Stimme aus der Menge. Sofort vielen andere Stimmen ein und von irgendwoher kam der erste Stein geflogen. Er traf den Fremden an der Schulter, was ihn aber nicht zu berühren schien. Das Gezeter wurde lauter und immer mehr Steine flogen. Gundlaf fühlte sich wie erstarrt. Er konnte diesem Menschen kein Leid antun, aus welchem Grund auch immer. Er konnte sich aber auch nicht gegen seine Leute stellen. Ein Kampf tobte in seinem Inneren während immer mehr Steine wie Regentropfen auf den Niemand vor ihm prasselten. Der hielt stetig den Blick auf ihn gerichtet und wich ihm keinen Moment aus. Kein Zeichen von Schmerz oder Angst zeigte sich in ihm. Nur eine tiefe Trauer lag in diesem Blick.
Die Zeit schien zu gefrieren. Da regte sich etwas in Gundlafs Augenwinkeln. Ein grauer Hund flog aus der Menge auf den Fremden zu. Gundlaf meinte, das Tier würde den Fremden sogleich anfallen. Es war ein Tier, dem man nicht so leicht beikommen konnte und es gehörte einem alten Greis, der irgendwo tief im Wald lebte. Niemand wusste, wer dieser Greis war, noch wo er herkam. Er hatte schon seit Ewigkeiten im Wald nahe dem Dorf gehaust. Ab und zu sah man ihn mal und es soll sogar Begegnungen mit ihm gegeben haben. Eher noch traf man seinen Hund an, der aber immer die Lefzen hochzog, die Zähne fletschte und bedrohlich knurrte.
Kaum das dieses Tier auf Niemand zuflog, wurde es still im Rund und der Steinregen versiegte sogleich. Warum sollte man sich denn die Hände schmutzig machen an einem Fremden, wenn ein wildes Tier einem die Arbeit abnahm. So dachte die Menge. So dachte auch Gundlaf, der sich nun einer direkten Stellungnahme entzogen fühlte.
Umso erstaunter war man, als diese Bestie, die sonst jeden angefallen hätte, dem Fremden um die Beine strich, wie eine Katze. Erstaunen und Angst machten die Runde. "Ein Hexer", hing es in der Luft. "Ein Magier!"
Beiden konnte man nicht trauen, dass wussten alle aus Geschichten und Legenden.
Der enge Kreis weitete sich und nun stand Gundlaf nicht länger zwischen seinen Leuten, sonder allein dem unheimlichen Fremden gegenüber. "Wer bist du", kam ein Wispern über seine Lippen. Zu seinem Erstaunen sah er, dass der Fremde den Hund genauso ungläubig und erstaunt ansah.
"Wer bist du", kam die Frage laut über die Lippen. Bevor der Andere aber antworten konnte, donnerte Gundlaf den Niemand an: "Was bist du?"
Die folgende Stille wurde nur durch das Vogelgezwitscher und das freudige Hecheln des Hundes gestört.
"Ich bin ein einsamer Wanderer", kam die zögerliche Antwort ohne jede Furcht. "Ein einsamer Wanderer, der von nirgendwo kommt und überall hingeht."
Der graue Hund hatte sich nun neben dem Fremden niedergelassen, ganz so als wäre es das Normalste der Welt, und schaute mit leicht heraushängender Zunge unbeteiligt in die Gegend. Ein verhaltenes Murmeln erklang vereinzelt.
"Wem gehört eigentlich dieser Hund", fragte der Fremde in die Runde. "Ich mag Hunde nicht."
Er machte einen Schritt von dem Hund weg. Die Menge glich sich der Bewegung an und wich zurück. Auch der Hund bewegte sich und folgte dem Fremden. Gundlaf rang nach Worten. Dieser Kerl vor ihm wurde von dem bissigsten Tier in der Gegend beschützt und wollte nichts mit ihm zu tun haben. Ein seltsamer Bursche. Vielleicht war es aber auch einfach nur ein Trick. Misstrauisch beäugte er den Fremden, der dem Hund auszuweichen versuchte und dabei den Kreis aus Menschen um sich herum verformte.
Es konnte kein Magier oder Hexer sein, das war Gundlaf inzwischen klar geworden. Oder täuschte er sich? Sollte er das vielleicht glauben? Wurden sie vielleicht von diesem Niemand abgelenkt? Hektisch schaute er zum Waldrand.
Nichts.
Sein Blick hetzte um das Dorf herum.
Nichts.
Er versuchte über die Menge hinweg zu spähen.
Nichts.
Keine Falle. Kein Hinterhalt.
Der skurrile Kerl da war allein, so wie er gesagt hatte.
"Was machst du hier", kam ihm langsam und ungewohnt ruhig die Frage über die Lippen.
Niemand hielt verdutzt inne und schaute Gundlaf an. "Ich hatte Durst, als ich an eurem Brunnen vorbei kam. Also trank ich."
"Wieso bist du hier?"
"Braucht es einen Grund um hier zu sein?"
Überrumpelt von dieser Gegenfrage schwieg Gundlaf einen Moment. "Was hat dich hier her geführt?"
"Meine Füße. Ich folge immer nur meinen Füßen."
Ungläubiges Staunen umgab die beiden Männer. "Sprechen deine Füße zu dir", fragte Gundlaf erstaunt und aus Reflex. Sein Gegenüber schaute ihn etwas belustigt an.
"Nicht nur die. Auch meine Hände reden mit mir. Genauso wie es auch deine Füße tun."
"Meine Füße reden mit dir", fragte Gundlaf verwirrt und etwas erbost. Irgendwo in der Menge hörte man ein Kichern, welches schnell erstarb.
"Guter Mann", sprach der Fremde ihn mit einem verhaltenen Lächeln an, "Meine Füße und ebenso meine Hände sprechen genauso viel mit mir wie ein Stein, der auf euren Äckern liegt."
Staunen breitete sich in der Menge aus. „Gar nicht", rief der Fremde aus.
Ein verwirrtes Murmeln hob an. Wer war dieser Kerl, der da stand und unverständliche Reden von sprechenden Füßen und Steinen hielt. Langsam schien den Fremden Unbehagen zu ergreifen, denn er schaute sich im Kreis um. Beinahe wäre er über den Hund zu seinen Füßen gestolpert, den er fast vergessen hatte.
"Guter Mann", sagte er und trat auf Gundlaf zu, "Wenn es euch nichts ausmacht, würde ich nun gerne meine Weg fortsetzten. Und haltet mir diesen Köter vom Leib."
Gundlaf wich keinen Deut zur Seite sonder schaute den Fremden nur unverständlich an. "Ihr sagt, ihr habt keine Zukunft. Also habt ihr auch kein Ziel. Was könnte euch dann von einem Ziel abhalten?"
"Ich habe keine Zukunft, das ist richtig, aber ich habe ein Ziel und von dem haltet ihr mich gerade ab."
"Also habt ihr doch eine Zukunft."
"Nein!" Der Fremde hatte seine Stimme deutlich erhoben. "Nein", setzte er leiser hinzu. "Ich habe zwar ein Ziel vor Augen, aber keine Zukunft. Sie wurde mir genommen."
"Und was ist euer Ziel?"
"So weit fort zu kommen, wie nur möglich."
"Wie weit seid ihr denn schon fort gekommen?"
"Noch nicht weit genug."
"Seit wann seit ihr denn schon unterwegs?"
"Sehr lange. Ich habe die Sonnenaufgänge schon lange nicht mehr gezählt."
Gundlaf überlegte kurz. "Dann müsst ihr aber schon sehr weit fort gekommen sein. Gönnt euch doch eine Rast."
"Die Rast war lang genug und nun lasst mich vorbei." Der Fremde versuchte sich an Gundlaf vorbei zu drücken, doch dieser stellte sich ihm in den Weg.
"Es gibt ein Gebot hier in der Gegend: Lasse einen Fremden niemals hungernd gehen."
"Ich bin aber nicht hungrig", wand der andere ärgerlich ein. Wie um ihm zu widersprechen, meldete sich sein Bauch geräuschvoll zu Wort. Ein breites Lächeln überzog Gundlafs Gesicht.
"Gebt mir die Ehre und teilt mit mir ein Mal. Seht die Sonne steht hoch am Himmel. Es ist Mittagszeit. Niemand sollte zur Mittagszeit hungrig einen Ort verlassen."
Resignierend zuckte der Fremde mit den Schultern und ließ sich von Gundlaf in dessen Haus führen. Der graue Hund erhob sich und folgte den beiden Männern, genauso wie der Rest des Örtchens. Wann war denn schon mal ein Fremder auf Mittag zu Gast? Zu selten, als das man dieses Ereignis versäumen könnte. Die Ernte konnte auch noch morgen eingebracht werden.

Gundlafs Haus war ein einstöckiges Gebäude, errichtet aus grob behauenen Steinen. Ein Strohdach schützte das Innere vor den Widrigkeiten des Wetters. Drinnen herrschten schwache Lichtverhältnisse, da die Fenster nur kleine Öffnungen waren, die zudem von Stofffetzen verdeckt wurden.
Das Innere des Hauses bestand aus einer einfachen Kochstelle, einem großen Tisch mit zwei Bänken und einem offenen Schrank für Geschirr und Nahrungsmittel. Der hintere Teil des Hauses wurde von einem Vorhang vom Rest getrennt. Der rote Stoff hing schwer von den Dachbalken hinunter auf den gestampften Lehmboden.
Gundlaf trat vor dem namenlosen Fremden durch die Türöffnung in das Dämmerlicht.
"Frow, wir haben Besuch. Bring uns etwas Bier:"
Er bat den Fremden sich an den langen Holztisch zu setzen, nahm einen hölzernen Teller und schöpfte aus dem dampfenden Kessel über dem Feuer eine herzhafte Brühe. Dankend nahm der Fremde den Teller entgegen und begann sogleich wie ein hungriger Wolf die heiße Brühe in sich hinein zu löffeln. Das Brennen im Mund ignorierte er, wenn er es überhaupt spürte. Gundlaf sah ihm einige Zeit lang schweigend zu, bis seine Frau hinter dem Vorhang auftauchte mit zwei Humpen gefüllt mit schäumendem Bier in der Hand. Gundlaf nahm ihr mit einem liebvoll, dankenden Blick die Krüge aus der Hand und stellte dem Fremden einen neben den Teller. Der nahm sofort einen gewaltigen Schluck. Vielleicht wollte er nun doch das Brennen löschen, was aber nicht helfen würde. Lächelnd setzte er sich dem Unbekannten gegenüber.
"Nun erzähl mal, Fremder. Wer bist du und woher kommst du?"
Deutlich vernehmbar schmatzte und schlürfte der Angesprochene, ohne aber auch nur ein Wort zu sagen. Ungeduld macht sich in Gundlaf breit.
Vor seinem Haus hatte sie die gesamte Schar der Neugierigen versammelt. Die Arbeit im Dorf würde an diesem Tag wohl gänzlich ruhen. Das verhaltene Getuschel und Geraschel von Kleidern drang durch Tür und Fensteröffnungen herein.
'Was für ein neugieriges Volk', dachte Gundlaf bei sich.
Der Teller des Fremden hatte sich inzwischen zur Gänze geleert. Zufrieden lehnte er sich zurück während der Löffel laut klappernd im Teller landete. Der Fremde richtet seine Augen nun wieder auf Gundlaf. Eine Spur Zufriedenheit lag in seinem Blick, aber sonst waren sie genauso kalt und leer wie zuvor auf dem Brunnenplatz.
Gundlaf setzte erneut an. "Also. Wer seid ihr und..." "Niemand", unterbrach in der Fremde, "aber das sagte ich ja bereits."
Zorn stieg in Gundlaf hoch. Wie konnte ein wehr- und mittelloser Fremder nur so hochnäsig und herablassend sein. War er nicht auf Hilfe angewiesen oder war er ein Bruder Leichtfuß? "Wie war den früher euer Name?", versuchte Gundlaf es erneut.
"Was interessiert uns die Vergangenheit? Sie ist vergangen und kehrt nicht wieder.", kam es trocken von dem Namenlosen. "Zudem sind Namen Schall und Rauch. Das einzige was zählt, ist dieser Körper", er schlug sich auf die Brust, "und das er noch funktioniert." Leise murmelte er weiter vor sich hin: "Eigentlich noch viel zu gut!"
"Was sagtet ihr?"
"Nichts! Nichts von Belang!"
Langsam wurde Gundlaf dieser Sonderling lästig.
"Nun sagt mir euren Namen oder ich vergesse mich", fuhr Gundlaf auf.
"Ihr habt mich in euer Haus eingeladen und nicht ich. Und sagt, guter Mann, behandelt man in dieser Gegend immer so seine Gäste? Zuerst gibt man ihnen Essen und dann legt man Hand an sie?" Kühl und gelassen saß der Fremde auf der Bank und Gundlaf musste inzwischen sehr an sich halten.
"Mir will es fast so scheinen, als sei ich in ein Räuberdorf gelangt."
Das war zu viel. Gundlaf sprang auf und flog fast über den Tisch. Er packte den Fremden beim Kragen und riss ihn hoch. Mit einem Faustschlag beförderte er ihn sogleich zu Boden und wollte sich auf ihn stürzen. Durch die Tür waren ein paar Männer hereingeeilt und versuchten nun den aufgebrachten Gundlaf von dem Fremden fern zu halten. Mühsam rappelt sich der Fremde vom Boden auf und wischt sich eine dünne Blutspur aus dem Mundwinkel.
"Mehr habt ihr nicht zu bieten", fragt er Gundlaf in einem spötisch-müden Ton. Das war nun wirklich zu viel für Gundlaf. Die Männer um ihn herum mussten alle Kräfte aufbieten um den kräftigen Tischler von dem Fremden fern zu halten. Gundlafs Frau kam mit versteinerter Mine auf den Fremden zu und verscheuchte ihn grob aus der Hütte. Der Fremde ließ sich aber nicht hetzen und stolperte etwas torkelnd zur Tür hinaus und durch die feindlich dreinblickende Menge. Er lief angeschlagen noch einmal zum Brunnen um sich etwas Wasser zu nehmen, als erneut Steine durch die Luft flogen.
Laut keifend und bellende rannte der graue Hund auf die aufgebrachte Menge zu und schnappte nach Waden und Beinen, die sich nicht schnell genug aus seiner Reichweite entfernten. Verängstigt und zeternd wich die Menge vor den gefletschten Zähnen zurück. Es würden heute wohl keine Steine mehr fliegen, allein aus Furcht vor dem grauen Hund aus dem Wald.
Langsam und schwerfällig begoss sich der Fremde mit dem kühlen Nass aus der Tiefe, wischte sich das Wasser aus dem Gesicht und wand sich zum Gehen. Sein dunkler Umhang flatterte nun noch dreckiger müde um ihn herum als er die kleinen Häuser dieses Fleckens passierte. Feindselige Blicke folgten ihm und dem grauen Hund, der ihm ganz natürlich folgte.
"Hoffentlich kommt dieser komische Kauz nie wieder hierher.", hörte man in der Menge.
"Vielleicht hat er uns die Tiere verhext.", war eine ängstliche Stimme zu hören.
"Warum konnte Gundlaf sich auch nicht beherrschen."
"Keiner konnte sich beherrschen", wetterte ein altes Weib, "Schämen solltet ihr euch alle! So kann man nicht mit einem Fremden umgehen, auch wenn er noch so seltsam ist."

Der Wind zerrte an seinen Haaren und brauste ihm in den Ohren. Die aufgebrachten Stimmen des Ortes hörte er schon nicht mehr, da sie der Wind von ihm fort trug.
Noch immer war er am Leben. Und zu allem Überfluss folgte ihm dieser dämliche Hund.
Er brauchte niemanden.
Er war niemand.
Mit sich und seinem Schicksal hadernd trat er in den Wald und sein grünes Zwielicht.
Im Dorf hinter ihm entbrannte inzwischen ein wahrer Streit. Jeder warf jedem etwas vor und niemand war Schuld. Im Grunde stimmte diese Tatsache, aber Jahrzehnte später war immer noch niemand Schuld, jedoch konnte sich keiner an diesen Niemand erinnern.



"Das Schauervollste aller Übel, der Tod, geht uns nichts an; denn solange wir sind, ist der Tod nicht da, sobald aber der Tod herantritt, sind wir nicht mehr..."
Man denke bitte an sein Porträt; danke!

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